TT Seminar Kiel: Schwundgeld für Transition
Ein Student schreibt:
Geld mit Ablaufdatum
Geld verdirbt im Gegensatz zu menschlicher Arbeitskraft und vielen Waren nicht. Bleibt eine
Währung grundsätzlich stabil, ist es also ohne große Nachteile und vor allem ohne Risiko möglich
Geld zu horten. Wer Geld hortet, der entzieht es dem Wirtschaftskreislauf und stellt produzierende
Unternehmen vor die Alternative existenzieller Schwierigkeiten oder dem Senken ihrer Preise. Die
Folge ist, dass Kredite aufgenommen werden, die wiederum durch Zinsen dem zu Gute kommen,
der Kapital hortet und besitzt. So entsteht ein ungerechtes Ungleichgewicht zwischen Waren- und
Kapitalbesitzern. Das jedenfalls schrieb Silvio Gesell, ein deutscher Kaufmann und
Finanztheoretiker, der von 1862 bis 1930 gelebt hat.
Um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen und das Ungleichgewicht zu überwinden konzipiert Gesell
das sogenannte Freigeld. Diese Währung sollte in ihrem Wert parallel zu potentiell zu erwerbenden
Waren im Laufe der Zeit sinken, so ist auch der Begriff Schwundgeld, der mit Silvio Gesell
verbunden wird verständlich. Dieser nahm an, dass ein so konzipiertes Geld wieder zu einem
Tauschmittel wird, dass nicht lange in den Händen verweilt, sondern immerzu weitergereicht wird
und so den Wirtschaftskreislauf stärkt.
Das Experiment von Wörgl
Der gleichnamige Zeitungsartike l der Wiener Zeitung vom 21.09.2007 berichtet von der Tiroler
Gemeinde Wörgl und deren Gemeindevorsteher Michael Unterguggenberger, der Gesells Gedanken
Anfang der Dreißiger Jahre in die Praxis umsetzte. Es wurde neben der offiziellen Landeswährung
eine zweite ausgegeben, die nur in der Gemeinde galt und monatlich ein Prozent ihres Wertes
verlor. Dass dieses Geld rasch ausgegeben wurde, hatten Folgen. Die finanzielle Situation
ansässiger Unternehmen verbessert sich enorm und die Arbeitslosenzahl ging auf 25 Prozent
zurück, während sie im restlichen Österreich durchschnittlich um 20 Prozent stieg. In vielen Staaten
der Welt wie etwa den USA, der Tschechoslowakei oder der Schweiz hatte das Experiment von
Wörgel auf kommunaler Ebene Nachahmer. In Wörgel selbst wurde es jedoch im September 1933
auf Druck der Nationalbank beendet.
Nutzen für die Transition-Town-Bewegung
Ganz unabhängig von dem Ablaufdatum einer Währung, liegt es auf der Hand, dass eine lokale
Währung die lokale Wirtschaft unterstützt. Die englische Stadt Totnes ist als eine der ersten
Transition-Towns ein gutes Beispiel für den Erfolg solcher Ideen. Doch wie steht es um die
Vergänglichkeit, das eigentlich charakteristische, von Gesells Freigeld? Einleuchtend dürfte sein,
dass der Wertverlust als motivierender Multiplikator dienen kann, durch den eigenen Konsum die
lokale Wirtschaft zu stärken. Beim Transition-Gedanken geht es auch darum, funktionierende
Kreisläufe zu schaffen. Wie sieht es aus mit einem Finanzkreislauf, der so gut funktioniert, dass er
ständig neues Wachstum motiviert. Mit einem Blick auf den Peak oil entblößt sich schnell das
Janus-Gesicht des Schwundgeldes. Mehr Wachstum geht Heutzutage leider nicht allzu selten
Hand in Hand mit einem größeren Raubbau an unserem Planeten. Die Umsetzung von Silvio
Gesells Ideen bringen also neben guten Chancen für eine Relokalisierung der Wirtschaft auch große
Gefahren für den Gedanken der Permakultur. Gesells Konzept lässt sich jedoch in Einklang mit der
Transition-Town-Idee bringen, wenn dass dadurch motivierte Wachstum immaterieller Art ist. Das
Wachstum sollte sich dann im Dienstleistungsbereich, allem voran im sozialen Bereich, auswirken,
um inter- und intragenerational verträglich zu bleiben und gleichzeitig mehr Wohlbefinden für die
jetzigen Generation zu schaffen.
- Blog von Frauke Godat
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