»Permafest« zeigt die Vielfalt der Bewegung
Ende August 2010 wurde der kleine Ort Nethen in der belgischen Gemeinde Grez-Doiceau zum Schauplatz des zehnten europäischenPermakulturtreffens (European Permaculture Convergence EUPC) sowie deszweiten französischsprachigen Permakulturfestivals ein »Permafest«.
Beim nächsten Treffen werden wir dabeisein !!!
Hier der ganze Bericht aus oya:
Zehn europäische Zusammenkünfte von Permakulturaktiven gab es nun bereits seit 1992. Zum alle zwei Jahre abgehaltenen Treffen kamendiesmal mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 12 Ländern, umWorkshops zu gestalten und den länderübergreifenden Austausch zupflegen.
Ein Programmpunkt war die Wahl des neuen europäischen Permakulturrats.Diese internationale Gruppe von Permakulturaktiven bildet die Adresseder Permakultur auf europäischer Ebene. Neben ihrer Rolle alsAnsprechpartnerin hat sie die Aufgabe, sicherzustellen, dass das nächsteeuropäische Treffen stattfindet. Für die EUPC 11 in zwei Jahren gibt eszur Zeit zwei mögliche Veranstaltungsorte: Ein Angebot kommt von einemjungen Permakulturprojekt in der Türkei, ein weiteres aus Deutschland.Mitglieder des neuen Councils sind Leo Bakx und Mireille Hollaar ausHolland, Sylvia Boller aus Belgien, die Britin Zoe Rozar sowie PetraKrubeck aus Deutschland.
Lebendiges französisches Netzwerk
Verschiedene Workshops während des Treffens widmeten sich derEntwicklung des frankophonen Netzwerks und der Schaffung und Übersetzungvon Permakulturliteratur ins Französische. Das französischsprachigeNetzwerk arbeitet über die Ländergrenzen von Frankreich, Belgien, derSchweiz, Andorra und Monaco hinweg und wird vor allem von zweiOrganisationen getragen. Diese sind der französischen Permakulturverein»Brin de paille« (Strohhalm)und die »Université populaire depermaculture« (Permakultur-Volksuniversität, UPP), welche die Ausbildungvon zur Zeit 46 Studentinnen und Studenten organisiert. Das Hauptzielvon Brin de paille besteht darin, das Entstehen lokalerPermakulturvereine zu unterstützen. Dies scheint auch gut zufunktionieren, denn allein in diesem Jahr haben sich in Frankreich 15neue lokale Organisationen und drei Bildungsinstitutionen fürPermakultur entwickelt.
Permakultur und Bildung
In mehreren Runden wurde von den EUPC-Teilnehmern diePermakulturbildung besprochen. Ein Austausch über den Weg zum Diplom inden einzelnen Ländern zeigte, dass dieser in Belgien beispielsweise nochgar nicht existiert. In Deutschland, Österreich, Schweiz und Frankreichsind die Diplomprozesse weitgehend am Beispiel der britischenPermakulturakademie orientiert und ähneln sich. Sowohl in Deutschlandals auch im französischen Netzwerk gibt es zum Beispiel die Möglichkeitfür Permakulturstudenten, bei Permakultur-Design-
Kursen Praktikant zu sein, und so Kursorganisation und Unterrichten kennenzulernen.
Das Besondere am französischen System ist etwa die Wanderschaft, die diePermakulturstudenten, unterstützt von der UPP, unternehmen und dabeiPraktika in Permakulturprojekten absolvieren. Auch das Unterrichten inTeams, bestehend aus einem Designer und anderen Spezialisten ausverschiedenen Fachgebieten, die meist auch Permakulturstudenten sind,ist im französischsprachigen Raum ein gern genutztes Modell.
Der Brite Joe Atkinson lud zu einem dreistündigen Teachers Training, einkurzer und intensiver Exkurs zum guten Unterrichten. Darüber hinausmoderierte Joe eine Runde zur Ideensammlung für die Gestaltung desinternationalen Permakultur-Lehrertreffens Ende Juni 2011 im ÖkodorfSieben Linden.
Auch das Thema »Transition Towns« hatte seinen Platz auf der EUPC, undMitglieder der lokalen Transition-Town-Initiative vor Ort füllten unsereRunde während eines Vortrags zum Thema.
Tony Anderson aus Dänemark präsentierte die spannende »Strategie der10000 Bäume« des internationalen Permakulturrats, die in einer dernächsten Ausgaben von Oya näher vorgestellt werden soll.
Stadt-Dschungel
Während des Treffens hatten wir die Gelegenheit, dreiPermakulturgärten zu besuchen. Der Beeindruckendste davon befindet sichin Mouscron: Unser Bus hielt in einer schmalen Straße, gesäumt von denFassaden kleiner, unscheinbarer Arbeiterhäuser. In einem dieser Häuschentreffen wir auf den bald siebzigjährigen Gilbert Cardon und seine Frau.Durch einen schmalen Flur gelangen wir in einen kleinen Raum der durchein großes, gut sortiertes Bücherregal mit Gartenliteratur besticht.Weiter gehts durch das schlauchartige Gebäude, und im nächsten Raumbleibt uns erst mal vor Staunen die Sprache weg: Die Wände sind nahezukomplett von oben bis unten mit Regalen bedeckt, in denen sorgfältigarchiviert tausende Samentütchen lagern.
Gilbert Cardon erklärt: Wir stehen vor Saatgut von rund 6500verschiedenen essbaren Pflanzen, darunter 800 Tomatensorten und 400Sorten Salat, sowie einigen hundert Blumen. Büchersammlung und Samenbankgehören zu den Aktivitäten einer Biogartengruppe der »FraternitésOuvrières«, einer Art Volkshochschule. Die Gartengruppe existiert seit35 Jahren und veranstaltet monatliche Treffen und Gartenführungen.
Für Gilbert Cardon haben diese Treffen zwei Ziele. Zuerst fördern siedie Solidarität und den Kontakt unter den Menschen, denn beim Gärtnerntrifft sich, wer sich sonst im Alltag nur selten begegnet: Theoretikerund Praktiker, Kopfarbeiter und Handwerker. Das zweite Ziel lässt sichmit »Biogärtnern für jeden« umschreiben. Dabei geht es zum einen um dieVermittlung des nötigen Wissens, zum anderen aber auch um den Zugang zupreisgünstigem Saatgut. Man kauft neue Sorten in günstigenGroßpackungen, vermehrt sie und gibt sie über die Samenbank für wenigGeld weiter.
Wichtig ist Gilbert der Bezug des Menschen zu seinem persönlichenGarten: Es könne keine zwei sich gleichende Gärten geben, denn Gärtnernsei eine Kunst und wie Musik oder Malerei Ausdruck der eigenenPersönlichkeit. Jeder solle nach seinem Charakter gärtnern ansonstensei es nicht »bio«.
Der persönliche Garten von Gilbert Cardon beginnt direkt hinter demkleinen Häuschen und versetzt uns wiederum in Staunen. Wir erkunden dierund 1800 Quadratmeter jeder für sich. Ausgestattet mit einem Lageplan,auf dem Wege, Gewächshäuser und Teich eingezeichnet sind, wandeln wirwie durch einen Dschungel, können nur wenige Meter weit sehen. SchmaleWege führen an 2500 Obstbäumen und Sträuchern vorbei, die zum Teil vollreifer Früchte sind und zum Naschen einladen. Der Boden ist nahezuvollständig mit Mulch bedeckt, an manchen Stellen liegt Schnittgut vonZweigen viele Zentimeter dick. Unter diesem Flächenkompost wird derBoden außer durch Hacken nicht bearbeitet. Zwölf Prozent Humusgehalt unddrei Kilogramm Regenwürmer pro Quadratmeter wurden von staatlichenStellen ermittelt. Die Fruchtbarkeit ist so hoch, dass die größteSchwierigkeit mit diesem Garten wohl darin besteht, alles aufzuessen,was da wächst.
Ein Festival zeigt die ganze Permakultur-Bandbreite
Gleich im Anschluss an die EUPC 10 fand in Nethen das zweitefranzösischsprachige Permakulturfestival statt. Auf großen Wiesen und inzahlreichen Zelten gab es Platz für Vorträge, Workshops, Filme,Information und Musik. In den thematisch abgegrenzten FestivalbereichenGärtnern und Landwirtschaft, Handwerk, Gesundheit und Wohlbefinden,Musik, Zusammenleben sowie Lokale Initiativen konnten sich die Besucherdrei Tage lang weiterbilden und Kontakte knüpfen. Das Festival war gutdurchdacht und organisiert und zeigte, dass es auch bei einerBesucherzahl von 1000 Personen möglich ist, mit kleinem ökologischemFußabdruck zu arbeiten. In der Gastronomie verwandte man selbstmitgebrachtes Geschirr bzw. Pfandbecher. Und Kompostklos verwandeln das»Problem Fäkalien« in zukünftigen, vor Ort verwendbaren Dünger.
Auf dem Programm standen Vorträge zu Saatgutgewinnung undWasserrückhaltung im Gelände. Natürlich gab es Praxisvorführungen zumKompostieren; wer wollte, konnte des morgens das Mähen mit der Senseausprobieren. Einfach gebaute Geräte zur Solarenergie- und Windnutzungwaren ausgestellt, und ein Workshop brachte uns die Pilzzucht nahe. Einanderer zeigte den Bau von Bienenbehausungen aus Stroh und Kuhmist bzw.mit Gips. Daneben konnte man lernen, Windräder zu bauen, mit Pflanzen zufärben, Naturkosmetik und Reinigungsmittel herzustellen sowie daseigene Baby ressourcenschonend zu wickeln. Länderberichte erzählten vonden Permakulturszenen in Marokko, der Ukraine und anderswo. Der Platzreicht nicht, um die überwältigende Bandbreite dieser messeartigenPermakulturveranstaltung aufzulisten
Internationale Permakultur-Links:
www.permaculture.fr
www.inpermcou.org
www.festivalpermaculture.be
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