Transition, wohin?
Transition wohin? Zwischen Skylla und Charybdis, Markt und Staat
Liegt Skylla links, Charybdis rechts bereit, was kann dem armen Erdenbürger glücken? Der falsche Weg ist Meilen breit, der rechte schmäler als ein Messerrücken. (Ludwig Fulda)
Hallo zusammen, ich weiß, ich bin verspätet, aber hier noch einige Gedanken zu diesem zentralen Thema: Transition, wohin? Achtung, ich schreibe bewusst polarisierend und provokant, vereinfache und überspitze absichtlich, um es deutlicher zu machen und zur offenen Diskussion anzuregen. Ich baue sogar Feindbilder auf, pfui Spinne! Wobei ich mir bewusst bin, dass die Wirklichkeit wesentlich komplexer ist als hier dargestellt. Peace!
Um es kurz zusammenzufassen, ich glaube, dass eine programmatische Offenheit ohne politischen Konfrontationskurs, wie Rob Hopkins sie im Blick hat, eine der Ursachen für die Integrationskraft der Transition-Bewegung ist. Das heißt aber nicht, dass diese Offenheit Ergebnis eigener politischer Bewusstlosigkeit sein muss. Um nicht in der Belanglosigkeit eines Clubs von Bäumchenpflanzern, KomposthüterInnen, Reki-Spendern und Feng-Shui DesignerInnen zu versinken, ist es zumindest für den aktiven Kern der Bewegung sinnvoll, sich von Naivitäten zu befreien und die eigenen Handlungsspielräume nüchtern zu analysieren. Denn eins müsste auch den enthusiastischsten Harmonikern klar sein: Sobald Transition aus der Rubrik Folkloristisches Rahmenprogramm der knallharten kapitalistischen Hauptveranstaltung heraustritt und das Business gefährdet, ist Schluss mit Flower-Power. Da verstehen die Interessengemeinschaften der VorteilsnehmerInnen überhaupt keinen Spaß. Es geht dann um Geld . Und wenn Transition erfolgreich wird, um sehr viel Geld , welches dann in den Kassen der bisherigen Profiteure fehlt.
Ich behaupte, wir kommen mit keiner der beiden Grundhaltungen weiter, weder mit wir haben uns alle lieb und jeder macht, was er mag noch mit radikal und provokant vorgetragener Kapitalismuskritik einschließlich der damit verbundenen politischen Forderungen. Wir sind nämlich in jedem Fall, bevor wir überhaupt anfangen, strukturell schachmatt gesetzt. Das werde ich versuchen zu begründen. Ich möchte etwas anderes vorschlagen: Folgen wir einem 2000 Jahre alten, sehr weisen Ratschlag. Ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe, seid also clever wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
Arglose Tauben vermeiden selbstverständlich jede Provokation und denken positiv! Clevere Schlangen bauen geschützte Nester und Verbindungswege, die sich dem Zubiss der Wölfe entziehen. Und sie sind ein Team.
Die Beharrungskräfte der herrschenden Unordnung basieren nicht auf mehrheitlicher politischer Überzeugung. Wenn in einer Umfrage 88% angeben, sich eine andere als die kapitalistische Wirtschaftsform zu wünschen, heißt das zunächst einmal wenig. Ich gebe zu bedenken, dass die Mehrheit der Befragten nur eine sehr vage Vorstellung (um es freundlich auszudrücken) davon hat, was Kapitalismus eigentlich bedeutet. Stopp, ich behaupte nicht, die sind dumm! Woher sollen sie ihre Informationen denn beziehen? Aus dem Bildungssystem? Und wann? Wenn sie abends aus dem Hamsterrad wanken? Herr Jauch wird diese Informationen nicht liefern, Frau Slomka auch nicht.
Das Millionenheer derjenigen hingegen, deren Transfereinkommen direkt oder indirekt aus der öffentlichen Hand stammt, wird diesen Goldesel ebenso wenig schlachten wollen wie all diejenigen, die vom Konzern- und Finanzsystem profitieren. Fakt ist, dass ein nicht zu unterschätzender Teil der einkommensbeziehenden Bevölkerung von diesem System profitiert oder das zumindest glaubt. Ganz zu schweigen von den oberen 2% der echten AbsahnerInnen, die die eigentlichen politischen Entscheidungen treffen. Sie müssen dem hochtourig brummenden Umverteilungsmotor nur noch genüsslich lauschen. Der läuft hocheffizient und vollautomatisch, hat im Drehzahlbereich immer noch Luft nach oben. Diejenigen hingegen, die diese Begünstigten mit ihrer wertschöpfenden Arbeit ernähren müssen, sind sich ihrer Lage nach wie vor nicht bewusst.
Nehmen wir als Beispiel einen durchschnittlichen Helden der Arbeit , den qualifizierten deutschen Facharbeiter Karl Arsch. Der liest jeden Monat auf seiner Gehaltsabrechnung: Brutto = 3.120, netto = 2.000. Na ja, denkt er, der Staat langt ordentlich zu. Aber er braucht das Geld ja, um seine öffentlichen Aufgaben für uns finanzieren zu können. Straßen, Krankenhäuser und Müllabfuhr und so. Hat der Schäuble neulich noch im Fernsehen gesagt. Er rechnet sich nicht seinen eigentlichen Bruttoverdienst aus. Da der Arbeitgeber (das ist der, der die Arbeit von Karl nimmt) Sozial-, Krankenversicherung etc. zur Hälfte mitbezahlt, liegt der bei ca. 3.940. Ok, aber von den verbleibenden 2000 netto kann man ja einigermaßen leben, sagt Karl sich. Jetzt zahlt er Miete, Nebenkosten, tankt, geht einkaufen und bestreitet seinen sonstigen Lebensunterhalt. Dabei fallen, bei durchschnittlichem Lebensstil, ca. 900 Mehrwert- und versteckte Verbrauchssteuern an. Sein echtes Netto schrumpft somit auf 1.100, also 27% des echten Bruttos. Davon muss Karl nun noch für private Absicherung, den Rundfunkzwangsbeitrag, Zuzahlungen für Medikamente und viele andere halbstaatliche Leistungen aufkommen. Das war jetzt Charybdis , also Vater Staat .
Nun zu Skylla : Da Karl im Kapitalismus lebt, darf er noch die gesamten Kosten (also Steuern, Abgaben, Zölle, Zins/Zinseszinslasten etc.) und Gewinne der Unternehmen bezahlen. Denn all diese Kosten und Gewinne verstecken sich in den Preisen bzw. werden auf den Warenwert aufgeschlagen. Unternehmen bezahlen im Kapitalismus nämlich keine Steuern bzw. holen diese über den Preis wieder herein. Konservativ geschätzt sind das im Durchschnitt 40%. (Der Anteil ist sehr unterschiedlich, bei der Miete liegt der Zinsanteil über 90%, bei einem Brot unter 5%. Hier geht es um den durchschnittlichen Warenkorb.) Neben den Mehrwert- und Verbrauchssteuern von 900 kommen also noch rund 800 Unternehmenskosten und Gewinne hinzu, die Karl über seinen Konsum abführt. Womit wir bei einem echten Netto von 300 wären, in Prozent: 7,5% vom echten Brutto. Und natürlich erwirbt Karl durch seine Arbeitsleistung keinerlei Rechte, weder an dem Unternehmen, in welchem er arbeitet, noch an der Mitbestimmung über die Ausgabenpolitik des Staates. Dieser pumpt indessen über Subventionen, Vergünstigungen und Zinszahlungen lustig die Milliarden auf diejenigen Privatkonten in den Steueroasen, die ohnehin überlaufen, schäumen und die bekannten Blasen bilden.
Aber alle vier Jahre darf Karl wählen. Er ist schließlich der Souverän , das wird ihm im Grundgesetz garantiert. Also geht er in ein Lokal und wählt. Was? Nun, selbstverständlich die KED, die Kapitalistische Einheitspartei Deutschlands. Er wählt immer Skylla und Charybdis, andere Ungeheuer stehen gar nicht auf dem Zettel. Egal, wo er sein Kreuzchen macht, er wählt immer seine 7,5% netto ohne Mitbestimmung bei der Verwendung der abgesaugten Werte. Und dass er wählt, wird ihm als Einverständniserklärung ausgelegt. (Konkludentes Handeln.)
Wenn Karl abends rechtschaffen müde von der Arbeit kommt und sich vors Fernsehen legt, erscheint, wenn er Pech hat, eine rundliche Frau im pastellfarbenen Kostüm und erklärt ihm lispelnd: Wir haben jahrelang über unsere Verhältnisse gelebt und müssen von nun an den Gürtel enger schnallen. Na ja, denkt sich Karl, ein paar Pfunde weniger würden dir wirklich nicht schaden, da haste recht. Er weiß nicht, dass die Frau ihn meint, wenn sie wir sagt. Und er weiß auch nicht, dass wenn auf dem Nachhauseweg im Schaufenster seiner Bank zu lesen war: Lassen Sie ihr Geld für sich arbeiten!, wiederum er gemeint war. Denn Geld kann nicht arbeiten, aber Karl kann. Er muss das aber auch nicht wissen, er muss ja morgen früh wieder raus.
Und es ist auch gut so, dass Karl das alles nicht weiß. Damit das so bleibt, brauchen wir neben Fernsehen und freier Presse mehr Bildung, die Karl dann auch noch bezahlen darf. Denn wenn die Menschen dieses System verstehen würden, hätten wir eine Revolution, und zwar noch vor morgen früh. (Henry Ford)
Aber verlassen wir Karl (der ist mit seinem fünften Pils im Arm längst eingeschlafen, war ein harter Tag) und fragen uns, welchen Spielraum eine Transition-Bewegung im Rahmen dieser freiheitlichen, staatlich-kapitalistischen Grundunordnung realistisch gesehen hat.
Machen wirs drastisch. Wenn ich den obigen Sachverhalt unter Verwendung anderer Begriffe beschreiben würde, nämlich auf der einen Seite ein wehrloser Mann mit einer ehrlichen Arbeitsleistung, dem von zwei mächtigen Organisationen auf der anderen Seite unter Androhung von Existenzvernichtung 92,5 % der Früchte seiner Mühen abgenommen werden, wäre die Definition eindeutig: Es handelt sich zweifelsfrei um organisiertes Verbrechen . Die Tatsache, dass sich diese Show im Rahmen geltenden Rechts abspielt, sagt gar nichts. Auch die Rassengesetze waren geltendes Recht, und die Zunft der Legalisierer hat sich im Anschluss an den kollektiven Wahn gegenseitig zu 100% exkulpiert. Diese Zunft gehört eben auch zu den Nutznießern von Transfereinkommen. Beiß nie die Hand, die dich füttert, besonders wenn sie reichlich gibt. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing, egal wie fürchterlich es klingt.
Die Zähigkeit des Systems verdankt sich unter anderem der Tatsache, dass inzwischen eine im volkswirtschaftlichen Sinne unproduktive Mehrheit auf Kosten einer wertschöpfenden Minderheit immer noch satt auskömmlich lebt und Status genießt. Das sagt viel über die ungeheure Produktivkraft unserer Ökonomie. Ein schwächeres Produktionsniveau wäre überhaupt nicht in der Lage, einen derartig überproportionalen, rein manipulierenden, kontrollierenden und sanktionierenden Wasserkopf zu tragen und zu ernähren. Nur arbeiten diese Kräfte eben mit unserem Geld nicht an einem notwendigen Wandel, sondern am Erhalt des Status quo. Unten an ihren eingebildeten Eigeninteressen und kleinen Privilegien, weiter oben im Auftrag der Finanz- und Konzerninteressen. Im Austausch gewähren diese dann für gute Dienste Zugang zu den richtig üppigen Vergütungen. Aus deren Sicht: Peanuts. Von oben betrachtet sind SpitzenpolitikerInnen nämlich nichts anderes als Bahnhofsnutten. Sie lassen sich von jedem ficken, der mit Kleingeld winkt. Darunter rangieren nur noch die Medienfuzzis. Die tuns noch für weniger.
Dieser Zustand gibt Einblick in den allgemeinen Informations-/Bildungsstand bzw. die Ausprägung zeitgeistlicher Ignoranz und moralischer Gesamtverfassung. Er sagt aber auch viel über den systemischen Endzustand einer Gesellschafts- und Wirtschaftsunordnung, deren zunehmende Dysfunktionalität immer größere Anteile des Wertschöpfungsproduktes verbraucht, um in wuchernder und nicht mehr zu regulierender, unproduktiver Komplexität den finalen Zusammenbruch hinauszuschieben. Und da das gebündelte Interesse und/oder die gepflegte Ahnungslosigkeit der Involvierten stärker sind als jede Vernunft, wird diese Eigendynamik die Karre ungebremst vor die Wand fahren. Wenn man aus der Geschichte großer (das heißt ausbeutender) Zivilisationen eines lernen kann, dann dies. Der Zusammenbruch ist immer die Folge innerer Korruption und Auflösung. Auf allen Ebenen, entscheidend auch der moralischen. Die Wahlsprüche: Ich zuerst, sonst komm ich zu kurz! und Schlau ist, wer andere für sich arbeiten lässt!, funktionieren nur im implodierten kapitalistischen BWL-Zwergenuniversum (und selbst da nur mit immensen Reibungsverlusten), volkswirtschaftlich gesehen führen sie dazu, dass die Kuh, die man melken will, irgendwann zusammenbricht. (Ich weiß, das ist sehr verkürzt dargestellt, mehr dazu beim nächsten Mal, wenn es wieder heißt: Arbeiten Sie für mich, Sie dürfen mich dafür auch bezahlen.)
Im Austausch zwischen Trainer und Hopkins ging es unter anderem um die Frage, wie politisch konfrontativ eine möglichst integrative Bewegung wie Transition sein darf, kann, sollte. Anders ausgedrückt: Macht man die Notwendigkeit eines umfassenden Wandels eher an der äußeren Schranke des Kapitalismus fest (Stichwort peak everything, ökologische Überstrapazierung durch Wachstumsimperativ etc.), oder wagt man sich an die innere Schranke (Verwertung des Werts wird durch das System selbst zunehmend unmöglich gemacht), inklusive der haarsträubend verrotteten moralischen Grundlagen und Menschenbilder des bürgerlichen Liberalismus selbst? Die Ideologie sozialdarwinistisch legitimierter Be- und Vernutzung des Schwächeren durch den pekuniär Stärkeren unter Zerstörung sämtlicher Subsistenz sowie aller menschlicher Bindungen und Kommunikationen mit Ausnahme des Geldverkehrs (im liberalen Jargon heißt das: Freiheit ) kann nicht zu einem gesellschaftlichen Equilibrium, zu Nachhaltigkeit führen. Soll sie auch gar nicht. Die Kirchenväter des Liberalismus haben viel Tinte darauf verwendet zu erklären und zu legitimieren, warum ausgerechnet die schlimmsten menschlichen Motivationen wie Gier, Geiz, Geilheit, Selbstsucht, Neid, Maßlosigkeit, spirituelle Trägheit, Rücksichtslosigkeit, soziale Ignoranz und Verhärtung eingebunden in geltendes Recht zum größten Wohlergehen der größtmöglichen Zahl führen sollten. Im parareligiösen Kosmos des Liberalismus ist die Ungleichheit eine Naturkonstante . Die größtmögliche Zahl ist nun eben das hat Gott so eingerichtet leider eher klein. Dementsprechend ist die natürliche Wirtschaftsordnung auch immer eine, in der es Herren und Knechte geben muss . Das ganze Geschehen wird demokratisch belebt durch die muntere Konkurrenz der Ambitionierten um die Plätze im Parkettbereich der Herrenabteilung. (Im liberalen Jargon: Chancengleichheit ) Weiteres Kolorit kommt hinzu durch den weitgehend stummen sozialen Überlebenskampf derjenigen, deren Arbeitskraft im Zuge der Dritten Industriellen Revolution nicht mehr zu verwursten ist und denen man selbst die erbärmlichsten Almosen nur widerwillig und unter Demütigungen gewährt. (Liberaler Jargon hier: Soziale Leistungsgerechtigkeit ) Diese überflüssigen Kostgänger eignen sich im Fall des Falles zumindest als Sündenbockmasse, wenn der Überdruck abgeführt werden muss. Über das, was in den abgehängten Verelendungszonen der Welt los ist sowie über die Kriegsgewinnler dieser Heiligen Ordnung sei hier gnädig das Mäntelchen des Schweigens ausgebreitet. Es muss so sein! Alles andere wäre leider, das muss immer betont werden im bürgerlich-liberalen Sinne gegen die natürliche Ordnung, also regelrecht sündhaft. Unser aller Wohlstand steht auf dem Spiel, wenn wir nicht demütig und gehorsam, bienenfleißig und bewusstlos die erbarmungslosen Gesetze des Marktes exekutieren. Koste es, was es wolle.
So, ich denke, das reicht an dieser Stelle als Illustration in Ätztechnik. Die Drastik ist durchaus beabsichtigt, wir müssen uns irgendwann mit der Wurzel beschäftigen. (Ich sag das nicht mit lateinischem Fremdwort!) All die verhungernden Negerkinder mit den dicken Bäuchen und dünnen Gliedern, die modernen Sklavenarmeen, die Tier-und Menschen-Konzentrationslager, die qualvoll sterbenden Ölvögel, die verstrahlten Ukrainer und Japaner, die Terroropfer der strategischen Profitsicherungsinterventionen, die narzisstischen Funktionscyborgs, unzurechnungsfähigen Blutsäufer und geisteskranken Dementoren an den Entscheidungshebeln, die vielen kleinen und größeren Erfüllungsgehilfen und Burn-Outer und so weiter und so weiter, ich kann damit stundenlang weitermachen gehören, so geschmacklos sich das im Falle der Opfer vielleicht anhört, in den Bereich Symptome , nicht in den der Ursachen .
Eine , und zwar eine nicht zu unterschätzende, Ursache ist unser tägliches Wegschauen und Weitermachen. Arschbacken zusammenkneifen, Hände an die Hosennaht und den Glauben an den Führer im Blick. Getrennt marschieren, einander schlagen. Der Endsieg ist nah! Wir sind uns der weitreichenden und verheerenden Macht unserer schweigenden, schmierigen und feigen Kollaboration in keiner Weise bewusst. Wir werden aber von den nachfolgenden Generationen zur Verantwortung gezogen werden. Und zwar früher, als wir uns das wünschen. Der Befund Unzurechnungsfähigkeit aufgrund selbstinduzierter Schizophrenie wird als Ausrede nichts hergeben, gar nichts. Auch nicht unterschrieben und gestempelt von Experten. Wir sind im Bilde!
Gut, es ist mit Sicherheit keine erfolgversprechende Strategie für eine harmonisierende und integrativ ausgerichtete Bewegung wie Transition, dem saturierten bürgerlichen Halb-Bewusstsein den Spiegel vorzuhalten. Das kann nur zu heftigen Abwehrreaktionen führen. Und mittels der virtuos beherrschten Projektionskunst würde im Nu der Spiegelhalter selbst zum Sündenbock. Nestbeschmutzer sind immer verhasst. Was also tun? Wir dürfen zwar das Nest nicht beschmutzen, aber wir können ein Kuckucksei hineinlegen!
Die zentrale Frage lautet: Wie legt man einen Vampir (der figuriert hier als ein Komposit von Skylla und Charybdis) lahm, wenn man keinen Pflock hat, um ihn zu pfählen? Oder kein Sonnenlicht, ihn zu beleuchten?
Man entzieht ihm den Lebenssaft! Ohne menschliches Blut wird er immer schlapper. In unserem Fall ist das Blut unsere Arbeit, bzw. ihre Kristallisationsform, das Geld. Da wir aber alle irgendwie Karl Arsch sind, haben wir aufgrund der oben beschrieben Schutzgelderpressung kein Geld, und wir sind gleichzeitig durch Gesetze gezwungen, für den Vampir zu arbeiten. Also weder Zeit noch Geld, um unsere Träume zu verwirklichen. Schade aber auch! Oder schlicht die normative Kraft des Faktischen? Die einzige Alternative hier und heute: Wir müssen uns das Geld zurückholen, um Strukturen aufzubauen zu können, die uns vor dem Zubiss schützen. Der Vampir muss also dazu gebracht werden, seinen eigenen Entzug zu finanzieren. Das geht natürlich nur mit der List von Schlangen, die im Hintergrund wühlen, während die Tauben vorne Friede, Freude, Eierkuchen aufführen.
Der Schlüssel dazu, also das Kuckucksei, ist die gemeinnützige Stiftung . Genauer gesagt, ein Netzwerk aus gemeinnützigen Stiftungen , und zwar genossenschaftlich organisierten, produktiv tätigen, und verbunden damit die Entwicklung eines Waren- und Dienstleistungsaustausches komplett ohne Geld . Vielleicht nach dem Muster des Fliegendes Rades. Das Prinzip: Jeder gewährt jeder unbegrenzt Kredit. Das ist nur eine Idee. Ich bin kein Tauschmittelexperte, man muss das einfach in der Praxis ausprobieren, denke ich. Ich will hier nicht in die Geld-Diskussion einsteigen, stimme aber mit denen überein, die hervorheben, dass ein faires Tauschmittel erst Sinn macht, wenn es auf realer Wertschöpfung aufbaut.
Soweit, so gut, aber wenn wir solch eine Entziehungskur versuchen, tritt sehr bald der treue bucklige Diener unseres Vampirs auf den Plan. Sein Name ist bekanntermaßen Igor und er wohnt in Görings Luftwaffen-Ministerium. Igor wird uns besuchen und berechnet geldwerte Leistungen, worauf Schutzgeldzahlungen abgeführt werden müssen. Wir haben aber kein Geld, also schätzt er uns, so etwa das Fünffache des eigentlichen Betrags sollte reichen. Und dann betreibt er die Pfändung und Zwangsversteigerung des Sach- und Immobilienvermögens. Das gehört aber samt und sonders gemeinnützigen Stiftungen. Der Clou: Igor kann da ohne weiteres nicht ran! Er ist aber schlau, ruft seinen Kumpel Iwan bei der Oberfinanzdirektion an und verlangt von ihm die Aufhebung der Gemeinnützigkeit. Da wir aber alle wirklich und nachweisbar gemeinnützige Zwecke verfolgen, wird das nicht so leicht. Wir brauchen, um Igor auf Augenhöhe begegnen zu können, eine wirklich professionelle Öffentlichkeitsarbeit. Denn zuletzt droht noch der Schuldturm. Dann kommen die humorlosen Jungs in den grünen Kostümen und holen dich ab. Klappe zu, Affe tot. Ja, ja, Igor stehen alle Zwangsmaßnahmen zu Gebote. (Und er ist bestens ausgestattet: Von 2006 bis 2012 sind unsere Zuwendungen an die Finanzverwaltung von 3,9 Mrd. auf 24,2 Mrd. gestiegen. Ein Schelm, wer Übles dabei denkt.)
Zu diesem Zeitpunkt, wenn Igor über uns kommt, ist es wichtig, dass wir schon viele und eine starke Solidargemeinschaft sind. Denn Igor geht immer nach dem gleichen Prinzip vor: Isolieren und erwürgen. Keiner hört das Röcheln, niemand merkt was, alles läuft politically correct und unaufgeregt. Auf eine Solidargemeinschaft jedoch ist Igor in keiner Weise vorbereitet. Die kann es in seinem Weltbild gar nicht geben. Er weiß ja: homo homini lupus. Parallel zum hinhaltenden Widerstand gegen Igor und Iwan müssen wir ein begeisterndes und positives Image nicht nur aufbauen, sondern die Inhalte konsequent leben. In der öffentlichen Wahrnehmung muss eines ganz klar sein: Jeder, der denen Knüppel in den Weg legt, kann nur ein Arschloch sein. Und wir gehen kackfrech noch einen Schritt weiter : Wir fordern Fördergelder, Zuschüsse und Spenden vom Vampir, die er schon locker machen muss, wenn er sich nicht als Arschloch outen will! Er muss dann sozusagen unser Ei ausbrüten und das Küken füttern. Das Geschäft des Fundraising übernehmen selbstverständlich die Tauben, mit Charme, Humor und Blümchen im Gefieder.
Auch das ist natürlich wieder überspitzt formuliert, klar. Der Vampir hat keine homogene Agenda. Es gibt in seinem Inneren immer noch Funktionseinheiten, die rechnen können. Angesichts fehlender politischer Handlungsspielräume nach der bedingungslosen Kapitulation vor der Finanzmacht bedeutet die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Ehrenamtes schlicht Kostenvermeidung im Repressionssystem, und zwar für lau. Da bleibt dann mehr für die eigenen Vergünstigungen und Pensionsansprüche übrig, und vielleicht noch das eine oder andere Pöstchen für die bucklige Verwandtschaft. Also: Lass die Blumenkinder mal machen.
Hört sich dennoch nicht schlecht an, das mit der Stiftungsarbeit, oder? Obwohl es leider nicht funktionieren wird, fürchte ich. Da sich die Finanzverwaltung inzwischen jenseits der Rechtsstaatlichkeit bewegen kann, wird sie Mittel und Wege finden, jede noch so gewitzt ausgetüftelte Struktur selbstbestimmter und solidarischer Ökonomie zu zerschlagen bzw. schon im Keim zu ersticken. Das gemeinnützige Stiftungsmodell ist lediglich für den hinhaltenden Widerstand besser geeignet als alle anderen Rechtsformen. Und es bietet eine Basis, den ganzen Prozess kreativ, laut, personalisiert und öffentlich zu machen. Also Zeitgewinn für Bewusstseinsentwicklung. Immerhin. Das ist meiner Ansicht nach einen Versuch wert. Unter dem Motto: Hoffe auf das Beste, rechne mit dem Schlimmsten. Es gibt innerhalb der gemeinnützigen Stiftungskonstruktion viele kleine Tricks, um Skylla und Charybdis das Leben ein wenig schwerer zu machen und den Wert in sinnvolle Projektarbeit umzulenken. Alleine das macht schon Spaß! (Mehr gerne unter vier Augen, Igor und seine Freunde lesen ja hier mit. J Wir bezahlen sie dafür.)
Fazit: Lasst uns eine offene, partizipative und integrative Kultur pflegen. Niemand muss hier bekehrt werden, niemand ist doof, weil er lieber am Gewohnten festhält, das ist allzu menschlich. Selbst frustrierte FinanzbeamtInnen sind unsere Schwestern. Jesus hat einen Finanzbeamten in sein Team aufgenommen!
Und parallel dazu, lasst uns quecksilbrig und listig die Lücken im System ausnutzen, um im Schutz echter Gemeinnützigkeit eine Schatten-Ökonomie aufzubauen, die 1. immer mehr Interessierten das Erlebnis real existierender Transition live und in Farbe zugänglich macht. Nicht nur verbal, heilpraktisch, krauternd oder edelsteintherapeutisch. Und die uns 2. zunehmend in die Lage versetzt, Mohandas Karamchand Gandhi in seinem wichtigen Grundsatz zu folgen: Die Nichtzusammenarbeit mit dem Schlechten gehört ebenso zu unseren Pflichten wie die Zusammenarbeit mit dem Guten. Auch das ist für mich Resilienz: eine gemeinschaftliche, solidarische ökonomische Basis zu schaffen, die es jeder und jedem ermöglicht, den Angeboten des Amok-Kapitalismus entspannt lächelnd zu erwidern: Sorry, zero cooperation! Work yourself!
Und dann gehen wir swingend nach Hause, ohne zu zittern, und arbeiten weiter an unseren Vorhaben. Das ist eine politische Botschaft, die keine unbequemen und bedrohlichen Forderungskataloge, kein Moralin und keine Massenkundgebungen braucht. Und auch die schweigende Mehrheit fühlt sich nicht bedroht, wenn wir unser Ding machen. Eigentlich sind wir nämlich gar nicht so gefährlich, das merken die (die sind auch wir) dann von selbst. Die wirkungsvollste Politik ist das funktionierende Projekt und das Netzwerk.
Und zum Schluss: Wir alle wissen aus Erfahrung, dass wir Gemeinschaft erst wieder mühsam lernen müssen. Das merken wir dann, wenn wir es konkret versuchen. Wir sind leider zu angstverkrüppelten Autisten geworden, zu isolierten Funktionsatomen, die im vorauseilenden Gehorsam ihr Leistungspensum übererfüllen aus Furcht, dass uns sonst auch noch die paar kümmerlichen Kröten weggenommen werden könnten, von denen wir unseren Kompensations-Konsum bestreiten und unsere Scheinsicherheiten einkaufen. Bei allem Konfliktpotential im Transition-Alltag sollten wir uns immer wieder selbst daran erinnern: Wir sind Lernende, SchülerInnen, woher sollten wir das auch können? Es kann nur besser werden! Lasst uns Frieden und Erbarmen haben miteinander, wirklich und ehrlich. Wenn wir das nicht schaffen, können wir jetzt schon einpacken.
So, das war das Wort zum Sonntag, ich freu mich auf widerborstige Reaktionen.
Schließen möchte ich mit einem alten irischen Reisesegen: Wenn dir jemand ins Gesicht pisst, nenn es nicht Kosmetik. Er könnte sich ermutigt fühlen, dich weiterhin zu pflegen.
Grüße an alle
Hubertus
- Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Kommentare
:-) Ta, but not ball ..
:-) Ta, but not balls, pregnancies count :-) Grüße zurück, Hubertus
Lieber Hubertus, ..
Lieber Hubertus,
ergänzend zu Deinen sehr bedenkenswerten Ausführungen möchte ich auf die GeldWende-Strategie durch Regionalisierung und regionale Geldschöpfung hinweisen, die uns auch Margrit Kennedy (+2013) bei der Transition Town UnKonferenz in 2012 vorgetragen hat.
Diese Regionalisierungs-Strategie soll beitragen, sich wie Du es auch beschrieben hast, zunehmend der Wertschöpfungskette im gegenwärtigen Erwerbsarbeitssystem zu entziehen und bewusst zunehmend lokale und regionale selbstversorgende Produktionsgemeinschaften (mit Eigentum an ihren Produktionsmittel) anzustreben - zu entwickeln und die inneren und äusseren Widerstände diesbezüglich zu erkennen.
Hier ergänzend dazu das Vermächtnis von Margrit Kennedy in ihren eigenen Worten, die "GeldWende" bzw. "Peak Money" betreffen:
"Ich habe zwischen 1979 und 1984 den Forschungsbereich Ökologie und Energie in der internationalen Bau-Ausstellung betreut und damals hatten wir in Berlin sehr sehr viel Geld. Und überall wo ich hinkam mit den Modellen - die wir da erarbeiteten mit den ersten Ökologen von überall in der Welt, die konnte ich einfliegen lassen und Projekt und Gutachten machen lassen - und überall wo ich hinkam und das vorstellte, sagte irgendjemand und manchmal auch mehrere Leute am Ende des Vortrags: 'Das ist ja alles wunderschön, was sie da machen, aber das rechnet sich nicht'. [...] Helmut Creutz hat in 20 Minuten mir klar gemacht, warum im heutigen System Ökologie und Ökonomie nie zusammen kommen können. [...] Dann habe ich sechs Monate gebraucht um zu glauben, dass das was ich in 20 Minuten verstanden hatte wirklich stimmte. Dann habe ich fünf Jahre gebraucht um ein Buch zu schreiben - in englisch habe ich das geschrieben [...] 2006 habe ich es nochmal überarbeitet und auf den letzten Stand gebracht und es hat sich nichts geändert seit das Buch entstanden ist - 1987, es ist nur schlimmer geworden, die Zahlen sind noch grotesker geworden [...] 2002 habe ich gesagt es geht so nicht weiter mit Büchern und Vorträge halten und noch mehr Bücher und Vorträge bringt es nicht, es muss praktische Beispiele geben. Und dann ist dieses Buch entstanden zusammen mit Bernard Lietaer einem Belgier, der den Ecu mitentwickelt hat - das war der Vorläufer des Euro - und das argumentiert für Regionalwährungen. In Deutschland haben wir insgesamt über 100 Regionalgeldinitiativen gehabt wovon 30 etwa ausgehalten haben..." Margrit Kennedy 2012 in Filmzeit 2:37 - 7:50 http://www.transition-initiativen.de/forum/topics/video-occupy-money-margit-kennedy-ein-vision-res-pl-doyer-f-r
Was ist Deine Erfahr ..
Was ist Deine Erfahrung hinsichtlich der bzw. Deine Meinung zu den Ausführungen von Kora Christof:
Eine der im Vortrag vermittelten Grundthesen Kristofs lautet: Widerstände antizipieren und nutzen, statt zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang sei es vor allem wichtig, Bestehendes zu würdigen und dessen Vertreter in ihren Haltungen zu respektieren, um ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, an das Neue anzuschließen (Kora Kristof bei den Tagen der Utopie 2013 in St. Arbogast/Vorarlberg. Thema: Wege des Wandels).
http://www.youtube.com/watch?v=oTbmbbjnQzY
http://www.youtube.com/watch?v=MPvkXXEuEnI
Lieber Jörg, grüß Di ..
Lieber Jörg, grüß Dich, lange nichts gehört :-) Danke für die Links, und ja, ich stimme mit Frau Kristof völlig überein. Wir haben in Essen ein gutes Verhältnis zu Politik und Verwaltung, in der Projektpraxis vertrete ich auch unbedingt Robs offene, projektorientierte Haltung. Eine Front "koservativ gegen progressiv" o.ä. aufzubauen wäre ja verrückt. Ich bastel gerade unsere Stiftungs-Webseite, da wird das integrative Moment noch mal sehr deutlich. Der provokative Text oben ist ja nur für den "internen" Gebrauch, also für die Situation, wenn man am Jahresende da hockt uns sich wie immer fragt: Warum geht das alles so quälend langsam? Wenn man diese Kröte (s.o.) erst mal geschluckt und sich von Blauäugigkeit einigermaßen befreit hat, kann man auch über sich selber lachen und sich sagen: "Humor ist, wenn man's trotzdem macht." Es gibt ja keine Alternative - außer Amnesie vielleicht...
Herzliche Grüße nach Freiburg
Hubertus
Ganz wahre Worte!! W ..
Ganz wahre Worte!! Wunderbar geschrieben und genau auf den Punkt gebracht.
All die Steine, von denen Du geschrieben hast, die den Mitgliedern des TT- Netzwerkes in den Weg gelegt werden machen mir, um ehrlich zu sein auch gewaltig Angst. Ich mache mir Sorgen das Wir es nicht schaffen uns gegen Politische, Wirtschaftlche und Kapitalistische Hindernisse hinweg zu setzten. Manchmal, so wie jetzt im Moment, frage ich mich wozu unser ganzes bestreben gut ist, wenn "die da oben" doch nur das machen was ihnen passt bzw. was sie auf Grund von Verträgen von Wirtschaftsmultis und Großkonzernen aufgedrückt bekommen. Ich meine gerade geht es Schlag auf Schlag, Gen- Mais, die bevorstehende, weitere Einschränkung von Saatgut(gegen Diversität auf Feld und Teller) was kommt als nächstes?
Ein wenig kann ich Hoffnung schöpfen. Hoffnung das unsere Projekte Früchte tragen, das immer mehr Menschen den Wandel mitmachen und das die Gemeinschaft auch gegen die "großen" ankommt die beharrlich Steine schmeißen und alles beim Alten belassen wollen.
Aber solange es zu viele Macht- und Geldhungrige gibt, wird Igor ganz bestimmt jeden holen der nicht aufpasst.
Dennoch: meinen Hut gezogen für diese Analyse. endlich jemand der nicht nur durchblickt, er hat auch Ideen, wie man die BRD GmbH für die eigenen Ziele nutzen kann. Warten wir es ab, wer es tut(und vielleicht sogar schafft).
Gruß Stephanie
Liebe Stephanie, ..
Liebe Stephanie,
danke für die positive Einschätzung. Aber: "Warten wir es ab, wer es tut?" ???
Wenn wir es nicht tun, tut es keine(r) ! Zugegeben, die Verluste in der ersten Reihe sind und waren immer erheblich. Aber glaubst Du wirklich, wir schaffen das, indem jede auf die andere wartet? In dem Fall krieg ich auch gewaltig Angst!
Gruß
Hubertus