Transition statt Flurneuordnungsverfahren

Bild des/r Benutzers/in Ralph Ritter

Hallo liebe Freunde,

ich muß hier mal eine Diskussion starten, über die ich mir einen kompetenten Rat erhoffe.

Das Trainig in Bielefeld vor knapp 2 Wochen hat mir Kraft und Mut gegeben, mußte aber gleichzeitig feststellen, daß ich dort 1. das einzige "Landei" und 2. der einzige "Ossi" war. Ich habe damit grundsätzlich kein Problem, nur zielt Transition-Town (wie der Name schon sagt) wohl doch in erster Linie auf die Umgestaltung der Städte ab. Deßhalb denke ich, daß sich wohl kaum jemand in meine Lage versetzen kann. Zur Erklärung:

3 Sachen verweben sich jetzt plötzlich zu einem komplizierten Geflecht, was es zu lösen gilt:

1. Seit Mitte November ist für uns hier im Dorf klar, daß das Amt für Flurneuordnung ein gigantisches Bodenordnungsverfahren anstrengen will, das insgesamt ca. 1400 ha, also mehr als die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche unseres Dorfes umfassen soll.

Vorab habe ich schon mal zusammen mit einigen Gleichgesinnten Widerspruch gegen die Anordnung dieses Verfahrens eingelegt, mit dem Ergebnis, daß es auf Jan/Feb 2011 verschoben ist, mehr erst einmal nicht.

2. Während des Trainings in Bielefeld ist mir klar geworden, daß ich hier eine Transition-Initiative starten werde, jedoch nun erst einmal mit meinem Widerspruch aus Pkt.1 als treibende Kraft gegen die vorherrschenden Großagrar-Unternehmer auftreten muß.

3. Im März 2011 beginnt erstmalig ein Zusatzstudium "nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume" unter der Führung der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, welches ich als sehr nützlich und vielversprechend für mich ansehe. Lezter Termin für die Anmeldung ist der 15. Januar, ich muß mich hierzu schnell entscheiden und Prioritäten setzen.

Hier der Link für Interessierte: http://www.nachhaltige-region.de/zertifikatskurs

Meine Fragen:

1. Gibt es jemand aus dem ländlichen Raum, der schon Erfahrungen mit einem solchen Flurneuordnungsverfahren gesammelt hat? Ich denke da z.B. an Norbert Rost?

2. Ich muß wohl erst eine Initiative in's Leben Rufen, mit dem Namen:"Transition als Alternative zum Flurneuordnungsverfahren", oder wie denkt Ihr darüber?

3. Wie kann ich hier, nachdem das Lager wegen dem drohenden Verfahren in ein Für und ein Wider geteilt ist, wieder den Kooperationsgedanken beleben?

Wer kann mir weiterhelfen?

Viele Grüße, Ralph. 

 

Kommentare

Bild des/r Benutzers/in Ingo

Hallo Ralph,

ich kann Dir leider nichts zu den Flurneuordnungsverfahren sagen. Was Deine erste Frage anbelangt "passt das Landei und transition TOWN?" - Ich würde sagen auf jeden Fall. Bei den Transition Town Initiativen, die ich in England besucht habe ist mir klar geworden, dass Städte nicht ohne das Land drum herum überleben können - deshalb ist z.B. die Förderung von Regionalmärkten ein häufig praktizierter Ansatz. Transition Town-Inititativen sollten also die ländliche Region um sie herum unbedingt einbeziehen. Vielleicht klappt das ja sogar zusammen mit Eurem aktuellen Problem: Beeinflusst das Verfahren die Potentiale der Regionalen Versorgung/ Wirtschaft im Kontext der Stadt? Falls ja, kann man vielleicht auch von Seiten der Stadtbevölkerung Unterstützung erhalten...

Ansonsten könnten Dir vielleicht Imke Greßl (Ananda) Erfahrungen mit Dir teilen, da sie auch in einem kleinen Ort in der Nähe von Göttingen lebt, und in ihrem Ort als auch in Göttingen bei Transition Town aktiv ist..

Gruß, Ingo 

Bild des/r Benutzers/in Ralph Ritter

Hallo Ingo, danke für Deine erste Reaktion.

Ja, unsere ehemalige Kreisstadt Zerbst (ca. 12000 Einwohner und 8 km von uns entfernt) soll später schon mit einbezogen werden, nur für den Anfang muß ich mal ganz bescheiden bleiben und mir hier im Dorf eine Kerngruppe suchen.

Das geplante Flurneuordnungsverfahren hier bei uns beeinflußt schon ganz gewaltig die Infrastruktur, denn Nutzen ziehen hierbei nur die Großagrarier aus der Sache, die genau immer nur das machen, was die große EU-Agrarpolitik vorgibt und da wissen wir doch wohl, daß es da nicht um kleine regionale Kreisläufe geht, sondern, das sind Global-Player, die dafür sorgen, daß z.B. ihre importierten Futtermittel genmanipuliertes Sojaschrot enthält und für den Anbau der Sojabohnen tropischer Regenwald gerodet wird. 

Ich warte hier mal noch ein paar Tage ab, bevor ich Eure Tipps hier erst einmal theoretisch abarbeite.

Viele Grüße: Ralph. 

Ingo schrieb:

Hallo Ralph,

ich kann Dir leider nichts zu den Flurneuordnungsverfahren sagen. Was Deine erste Frage anbelangt "passt das Landei und transition TOWN?" - Ich würde sagen auf jeden Fall. Bei den Transition Town Initiativen, die ich in England besucht habe ist mir klar geworden, dass Städte nicht ohne das Land drum herum überleben können - deshalb ist z.B. die Förderung von Regionalmärkten ein häufig praktizierter Ansatz. Transition Town-Inititativen sollten also die ländliche Region um sie herum unbedingt einbeziehen. Vielleicht klappt das ja sogar zusammen mit Eurem aktuellen Problem: Beeinflusst das Verfahren die Potentiale der Regionalen Versorgung/ Wirtschaft im Kontext der Stadt? Falls ja, kann man vielleicht auch von Seiten der Stadtbevölkerung Unterstützung erhalten...

Ansonsten könnten Dir vielleicht Imke Greßl (Ananda) Erfahrungen mit Dir teilen, da sie auch in einem kleinen Ort in der Nähe von Göttingen lebt, und in ihrem Ort als auch in Göttingen bei Transition Town aktiv ist..

Gruß, Ingo 

Bild des/r Benutzers/in Fritz Letsch

Lieber Ralph,

 

ich denke, dass das Flurneuordnungsverfahren (ein gruselig schönes Wort, bei uns hieß es damals "Flurbereinigung" und sorgte für reichlich Ärger, Straßenbau, Bachbegradigung und Streit) durchaus ein Rückenwind für die Selbstorganisation der Leute im Bereich sein kann, ihre Interessen tatsächlich einzubringen.

Spannend, wenn du den Kurs machst, lass hören, wenn du mal in München Aufenthalt hast oder Übernachtung brauchst, mein Speicher wird grad wieder bewohnbar ;-)  fritz

Bild des/r Benutzers/in Freimut Hennies

Lieber Ralph,

ich denke, das es schwer sein kann aus einer Konfrontation und einer möglichen Spaltung deines Dorfes schnell wieder zu einem Miteinander zu kommen. Von daher denke ich, solltest du zwar versuchen, die Flurbereinigung so weit wie möglich aufzuschieben, aber gleichzeitig im Dorf versuchen, weitere Mitkämpfer für Transition zu finden und dann gemeinsam mit einem Mix aus Aufzeigen der Gefahren der aktuellen Krisen und einer positiven Vision anfangen. Dann wird vielleicht mehr Leuten in deinem Dorf klar, wichtig die kleinteiligeren Strukturen um sie herum für ihr eigenes Überleben sind.

Wenn die Konfrontation schon zu stark ist und auf dich bezogen, kann es helfen, wenn du dich zurücknimmst, im Hintergrund andere mit dem Transition-Virus infizierst und diese dann mit Transition anfangen, du aber erst später offiziell dazu kommst. Dann ist nämlich der erste Bann bereits gebrochen.

 

Was den Namen angeht, so finde ich es immer wieder fatal, wie sehr sich der Name Transition Town eingebrannt hat. Das ist doch nur ein Teilaspekt der Transition, des Wandels. Dörfer, Regionen, Unternehmen, Universitäten, Schulen, Inseln usw. und natürlich Städte und Stadtteile - alles gibt es als Transition. Und ich würde - so wie wir es in Göttingen getan haben (und z.B. auch das Dorf Kaufungen zwischen Göttingen und Kassel) - als Hauptnamen immer eine deutsche Bezeichnung wählen. Transition (Town) Initiative kann dann gut im Beinamen erscheinen und auf die Einbindung in das Netzwerk hinweisen.

HG

Freimut

Bild des/r Benutzers/in Ralph Ritter

Ja Fritz, es ist tatsächlich ein gruseliges Wort, dieses "Flurbereinigungsverfahren" und tatsächlich wird hier als rechtliche Grundlage ein Gesetz der letzten DDR-Regierung von 1991 angewandt, das als Hilfsmittel für die Zerschlagung der ganzen Großagrar-Firmen (LPG'n) damals seine Berechtigung hatte. Der Clou hierbei ist noch, daß hier mit einem § die Durchführung des Verfahrens mit dem "Flurbereinigungsgesetz" der Bundesrepublik aus dem Jahr 1954 vollzogen werden soll.

Ganz radikal gedacht bin ich der Meinung, daß man unsere Äcker nur "bereinigen" kann, wenn man auf die Selbstheilungskräfte der Mutter Erde baut, die Artenvielfalt bewahrt und Eingriffe nur im Rahmen nachhaltiger Bewirtschaftung vornimmt, wenn es dann nötig ist. Hierzu braucht man einfach kein gesetzliches Verfahren, das sich über mehr als 10 Jahre hinziehen kann und alle Landeigentümer unnötig finanziell belastet und die Dorfgemeinschaft entzweit, anstatt sie wieder zusammenzufügen, etwa so, wie einen Stamm im tropschen Regenwald (:-).

Der Ärger ist bereits da, vor allem bei den vier EU-hörigen Großagrariern.

Nach einer persönlichen Aufklärungsaktion der Flurbereinigungsbehörde für all die Skeptiker, die sich vor 3 Monaten per Unterschrift gegen die Anordnung gestellt hatten (über 20 Personen und jeder in einem Einzelgespräch, wobei das Gespräch allein mit mir 3 Stunden gedauert hat), kann man sich vorstellen, mit wieviel Aufwand hier das Amt immernoch am Verfahren festhalten will. Auf jeden Fall haben wir weitere Zeit gewonnen, denn mir wurde erklärt, daß sie es eingesehen haben, daß hier die geplanten Veränderungen nur in basis-demokratischer Weise besprochen und von uns mitgestaltet werden sollen, also muß das Amt nun erst einmal noch konkretere Vorarbeiten leisten und uns das Ergebnis vorstellen.

Die Einladung (Flyer) für die Gründung einer Bürgerinitiative habe ich schon fertig, muß mich wegen des Versammlungsraumes nur noch mit dem Bürgermeister kurzschließen. Der Pferdefuß dabei ist, daß er einer der EU-begünstigten Bauern ist. In der letzten Ortschaftsrat-Sitzung habe ich diesen Gegenwind schon zu spüren bekommen, denn nach seiner Meinung ist eine Bürgerinitiative kein öffentliches Interesse und somit eine Privatveranstaltung, sodaß ich Raummiete bezahlen müßte.

Ja, so kleinlich kann es hier dann werden und ich weiß noch nicht, wieviel positive Resonanz ich zur Bürgerinitiative erhalte.    

  

Bild des/r Benutzers/in Ralph Ritter

Hallo Freimut,

ja, da bin ich auch Deiner Meinung, daß unter diesen, sich anbahnenden Vorzeichen ein Miteinander für eine neue Idee um so schwerer werden kann, nur, meine Aktivitäten gegen das mittlerweile unzeitgemäße Verfahren muß ich hier jetzt als primär ansehen, denke aber, daß zumindest die Mitunterzeichner der Bürgerinitiative unserer künftigen Energiewende-Initiative offen und unvoreingenommen gegenüberstehen werden.

Schwer kann es eigentlich nur mit den EU-hörigen Agrariern werden, nur kommt hier die neue gemeinsame Agrarpolitik (GAP 2013) der EU in's Spiel. Auch hier wird langsam umgedacht und es wird zunehmend auf Eigenversorgung und kleine wirtschaftliche Kreisläufe gesetzt. Die Förderrichtlinien, also der Geld-Hahn für jeden einzelnen Bauern wird nach anderen Kriterien auf- und zugedreht, als es bisher der Fall war. Es ist nicht mehr die Größe ausschlaggebend!  

Viele Grüße von Ralph.