Der Tanz um den goldenen Konsumelefanten - Fachforum Verbraucherforschung in Bonn

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Ein kleiner böser Kommentar

Prof. Ulf Schrader wählte deutliche Worte auf dem Fachforum zum Nachhaltigen Konsum am 15. Januar 2014 in Bonn: Die Deutschen seien Klimakiller statt Klimaweltmeister. Unser CO2-Fußabdruck habe sich seit 1990 um kein Gramm reduziert, rechne man die CO2-Last der importierten Waren hinzu. Punkt.Pause.

Nach der kleinen Gruselbotschaft ging es allerdings weiter wie immer: Die Referenten sprachen über  Biolebensmittel und Fairtrade, über grünes Wachstum, man war auf der Suche nach dem nachhaltigen Konsumenten (im Sprachgebrauch ein Individuum und männlich) und geeigneten Marketingstrategien für diese seltenen Exemplare. Es schien überhaupt nicht zu interessieren, warum Politik und Wissenschaft in den vergangenen 20 Jahren nichts erreicht haben. Das Leben ist Konsum und der Mensch ein Konsument. Punkt. Ausrufezeichen. 

Zum Glück gibt es auch Menschen, die das nicht wissen und zum Beispiel Lebenstile erfinden (Ökodörfer und Transition Towns) oder Windräder (Bürger in Dänemark), Solarthermie (Bürger in Österreich) die investieren und Strom produzieren (Energiegenossenschaften) oder soziale Innovationen vorantreiben, zum Beispiel Carsharing oder SoLaWi. Mit der Konsumforschung wird man diese Exemplare allerdings nicht  erwischen, Innovation passiert woanders.

Ab hier wieder neutraler Boden: Der Tagungsbericht:

Nachhaltiger Konsum, eine Utopie?

Grenzen, Strategien und eine neue Kultur des Miteinanders

(aid) Druckfrisch lag sie auf den Konferenztischen: Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats für Verbraucher- und Ernährungspolitik zum Thema Nachhaltiger Konsum. Der Diskussionsrahmen: Das Fachforum Verbraucherforschung in Bonn, organisiert vom Netzwerk Verbraucherforschung des Bundesernährungsministeriums, der Verbraucherzentrale NRW, der TU-Berlin und dem Wuppertal Institut. Der Inhalt: Weniger erfreulich bis dringend. Wir sind Klimakiller statt Klimaweltmeister, sagte Prof. Ulf Schrader, TU Berlin zur Eröffnung seiner Präsentation. Er ist Leiter des Fachgebiets Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum an der TU Berlin und Hauptautor der Stellungnahme. Seit 1990 haben wir überhaupt nichts eingespart, das liegt vor allem an unserem Konsumniveau stellte er fest. So heißt es in dem Bericht

Statt bei dem vom Umweltbundesamt für nachhaltig gehaltenen Ausstoß von 2,5 Tonnen CO 2 -Äquivalenten pro Person und Jahr liegt Deutschland bei etwa 10 Tonnen. Die seit 1990 erreichten Einsparungen wurden durch zusätzlichen Ausstoß an Treibhausgasen in anderen Ländern für die Produktion in Deutschland konsumierter Produkte vollständig kompensiert. Ähnliches gilt für den Ressourcenkonsum und die Flächenbeanspruchung .

Klimaweltmeister waren wir noch nie, meint Schrader, und wenn wir uns ansehen, was es für soziale Effekte entlang der Wertschöpfungskette gibt, dann sind die Näherinnen in Bangladesh sicher nur die Spitze des Eisbergs. Er wünscht sich mehr Selbstkritik von der Politik angesichts der bisher bescheidenen Erfolge. Dem Staat komme beim nachhaltigen Konsum eine Doppelrolle zu. Er setzt den Rahmen für das Agieren von Unternehmen und Verbrauchern und ist gleichzeitig selbst Nachfrager und Anbieter von Produkten.

Auf beiden Ebenen machen die Wissenschaftler des Beirats konkrete Handlungsvorschläge. Wir wollen als Konsumenten nicht nur hauptberuflich nach nachhaltigen Wahlmöglichkeiten suchen, sagte Schrader, wir brauchen ökologische Mindeststandards. Nachhaltige Konsumoptionen müssten leichter gemacht werden, zum Beispiel durch Preise, die die ökologische Wahrheit sagen, eine Wirtschaftspolitik, die Nachhaltigkeitsinnovationen fördert und die Bereitstellung einer Infrastruktur, die nachhaltiges Handeln leicht macht, sei es der Nahverkehr oder Fahrradstraßen. In der Schweiz wurde beispielsweise schon vor 10 Jahren per Volksentscheid beschlossen, Bahn und Bus auszubauen, statt weiter in den Individualverkehr zu investieren. Der Staat könne aber auch als Anbieter von Gütern, zum Beispiel in Kantinen und Schulen den Nachhaltigen Konsum unterstützen. Verbraucherorganisationen oder Dialoge mit Bürgern sollten aktiv gefördert werden und Verbraucherbildung weiterentwickelt und ausgebaut. Die Labelhypertrophie hingegen müsse dringend eingeschränkt werden, heißt es in dem Gutachten. Der Beirat regt ein unabhängiges Metalabel für Nachhaltigkeit an. Auf jeden Fall aber, so der letzte Satz in dem Bericht, solle sich das Bundesernährungsministerium diesem Thema in Zukunft deutlich intensiver widmen als das in der Vergangenheit der Fall war.

Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertalinstituts, plädierte in seiner Abschlussrede für eine Kultur des Experimentierens. Freiheit, sei nicht gleich Konsumfreiheit, meinte er. Das, was wir hier vor uns haben, ist ein gewaltiges gesellschaftliches Entwicklungsprojekt. Die Dinge laufen jedoch langsamer als wir es uns wünschen. Unsere Gesellschaft müsse erstmals in der Moderne damit umgehen können, dass das materielle Wachstum nicht weiter vorangeht. Bei allen anderen Gesellschaftssystemen der Vergangenheit kam es an diesem Punkt zum kulturellen Zusammenbruch. Wir müssen erkennen, dass das eigentliche Entwicklungspotential im gesellschaftlichen Miteinander entsteht, und dass wir dies erstmals in breiter Weise organisieren müssen, so sein Fazit.

 

Gesa Maschkowski, aid

Quelle: www.aid.de

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Kommentare

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Hi Jonas,

danke für die links! Schöner Artikel von den Oldenburgern. 

Ulf Schrader hat mir zum Thema Carbon Footprint noch diese Quellen geschickt

http://www.pnas.org/content/early/2011/04/19/1006388108.abstract bzw.
http://linkednumbers.wordpress.com/2011/07/01/whose-dirt-is-this/

Interessant ist auch http://carbonfootprintofnations.com (wonach Deutschland auf über 15 Tonnen pro Kopf käme).

 

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Danke für das Video, das kommt als nächstes auf unsere Bonn-im-Wandel-Homepage! Ich glaube wir brauchen solche Bilder um ein bisschen besser ein Gefühl zu bekommen, was gerade passiert. Bist du eigentlich mal irgendwo vorbeigekommen wo es schöne  ganz praktische anschauliche Zahlen für CO2-Verbrauch gibt zum Beispiel zu wie viel CO2 ein Baum bindet, ein Flugzeug verbraucht, ein Mensch in seinem Leben veratmet?

Danke auch für den Vortrag! Wo hast du den gehalten? Schön das Bild von dem 7 Milliarstel Erde das jedem von uns gehört, immerhin kann man das ja schön gestalten ;-)