Input Regiogeld

Bild des/r Benutzers/in Christian_2

Hallo Zusammen,

ich habe einen Text so als Überblick unter Berücksichtigung der neuesten Literatur und Veröffentlichungen zum Thema Regiogeld verfasst. Über weitere Anregungen und Kritik sowie Diskussionsbeiträge würde ich mich freuen. Wozu%20Regiogeld.pdf

Herzlich grüßt

Kristian

P.S.:

Auch sehr zu empfehlen zum Anschauen: "Der neue Boom der Ergänzungswährungen" ein Beitrag in der Reihe FutureMag von Arte aus dem Oktober 2014

http://www.futuremag.de/neue-wirtschafts-modelle/der-neue-boom-der-erganzungswahrungen

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Kommentare

Bild des/r Benutzers/in Norbert Rost

Ich hab zwischen 2003 und 2008 einige Texte hier hingelegt:

http://www.regionalentwicklung.de/regionales-wirtschaften/regionalgeld/

Dabei habe ich den Fokus mehr auf die regionalwirtschaftlichen Wirkungen gelegt als auf die finanzsystemkritischen Wirkungen. Deine Textanalyse gewichtet das andersrum.

Ich hab den Eindruck: Die finanzsystemkritische Sicht muss endlich mal in den Hintergrund treten. Sie ist einerseits schon so oft durchgekaut worden, dass mir darüber langweilig geworden ist, und sie ist andererseits in der praktischen Umsetzung wenig hilfreich - oder teilweise sogar hemmend. Seitdem wir Regiogeld aus dem Blickwinkel der regionalen Wirtschaftsentwicklung denken, erreichen wir damit Leute, die durchaus fest im bestehenden Wirtschaften verankert sind. So lange wir Finanzsystemkritik nach vorn gestellt haben, kam nicht selten der Sektierer in uns durch.

Bild des/r Benutzers/in Christian_2

Deinen Einwand finde ich berechtigt. Als Sektierer sehe ich mich aber nicht. Von mir aus können wir gerne die Perspektive der regionalen Wirtschaftsentwicklung betonen und als handlungsleitend sehen. Eines der erfolgreichsten Beispiele dafür ist die WIR - Bank in der Schweiz die ich auch in meinem Text beschreibe. Spätestens wenn uns die nächste Krise , Finanzkrise / Börsencrash trifft ist auch die Finanzsystemkritik wieder gefragt und en vogue. Das wir bis dahin durch umgesetzte oder weiterentwickelte Projekte an Resilenz gewonnen haben ist ja das Ziel.

Vielleicht kannst du diese Quelle deinen hinzufügen so als Update?

Degens, Phillip (2013): Alternative Geldkonzepte - Ein Literaturbericht. MPIfG Discussion
Paper 13/1. Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Köln. Online verfügbar unter
http://www.mpifg.de/pu/dp_abstracts/dp13-1.asp

Bild des/r Benutzers/in Gert Schmidt

Hallo, Christian,

ist ja klasse, dass Du Dich da hineingekniet hast, um die Hintergründe zusammenzufassen.

Was möchtest Du mit dem Text erreichen?

Ansonsten, meine 2 Cents als langjähriger Beobachter der Szene:

Überzeugte Regionalgeld-Fans gibt es nicht durch noch mehr Informationen über Finanzzusammenhänge (möchte Norbert bestätigen, s.u.), sondern am besten durch "Einfach. Jetzt. Machen!" 

Das Geheimnis des Gelingens besteht darin, ein Netzwerk zu finden, indem durch Kreislaufwirtschaft ein (soziales) Problem gelöst wird. Das kann schon mit zwei, drei Akteuren funktionieren und beginnen.

Menschen beginnen zu handeln, wenn sie ein praktisches Beispiel für ihren Handlungsspielraum erlebt haben. Das ist bei der Einführung von Regionalgeld sehr wichtig. Denn wenn die Diskussion bei der Griechenland-Krise, Finanzmathematik, im Mittelalter, beim Zins, beim Josefspfennig, in Wörgl .... usw. beginnt, wird Kritikern viel Stoff für Diskussionen geboten, ohne einen Schritt in Richtung Umsetzung gegangen zu sein.

Schwerpunkte des Anfangs sollten deshalb in der Analyse des Problems bestehen, das gelöst werden soll und in der Identifikation des damit verbundenen Geldkreislaufs. Idealerweise entsteht das Regiogeld als Graswurzel von allein dort, wo es benötigt wird. Wichtig erscheint auch das Ziel, den Kreislauf mit dem Initiieren vollständig zuende zu denken - und idealerweise für alle Marktteilnehmer. Sobald die Gefahr besteht, dass die Taler auf einem Konto liegenblieben, ist das System praktisch schon tot.

In Hannover haben wir jetzt vielleicht die Chance, eine Art "Kulturtaler" zu entwickeln, der Bildung, Stadtteilkultur, Abfallvermeidung unterstützt. Es gibt dazu erstmal nur eine Idee. Weiter sind wir noch nicht. Vielleicht finden sich Akteure, die das ernsthaft voranbringen möchten. Schau'n 'mer mal.

In Frankfurt schreibt gerade jemand an einer ausführlichen Analyse der bestehenden und gescheiterten Regiogelder. Darauf bin ich sehr gespannt.

Bild des/r Benutzers/in Christian_2

Hallo Gert,

ursprünglich wollte ich mit dem Text, der aus einem Seminar heraus entstanden ist, einen Einstieg ins Thema bieten, deutlich machen das an einer Reform des Finanzsystems kein Weg vorbei führt und die Vorteile von Komplementärwährungen aufzeigen. Wahrscheinlich trage ich da in diesem Forum Eulen nach Athen. Aber jedes Vorgehen das Aussicht auf Erfolg haben möchte sollte theoriegeleitet sein. Um die Materie zu durchdringen muss man sie diskutieren finde ich.

Für deine aus der Praxis kommenden Einwände habe ich trotzdem durchaus Verständnis und kann das was du schreibst nachvollziehen. Für die praktische Umsetzung wertvoll.

In Karlsruhe gibt es ja den Karlsruher. Aber irgendwie scheint das eingschlafen zu sein. Ich werde mal mit den Verantwortlichen Kontakt aufnehmen. Falls da jemand was weiss ...

Die erwähnte Analyse würde mich auch interessieren - vielleicht kannst du sie ja hier posten?

Bild des/r Benutzers/in Gert Schmidt

>Aber jedes Vorgehen das Aussicht auf Erfolg haben möchte sollte theoriegeleitet

>sein. Um die Materie zu durchdringen muss man sie diskutieren finde ich.

Eben das ist der Irrtum. Das wird niemanden überzeugen, weil die Menschen nach den ersten 10 Minuten abschalten und bei der praktischen Umsetzung keine Lust mehr haben.

Das Meer

"Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer."

Und: Du änderst kein System, indem Du kritisierst. Statt dessen geht es darum, an Modellen und Lösungen zu arbeiten, die das Bestehende ablösen.

Es geht darum, eine Vision zu entwickeln, was das Regiogeld leisten kann. 

Euro und Gartenarbeit

Mal umgekehrt betrachtet: Niemand hat Dir erklärt, wie der Euro funktioniert - aber Du benutzt ihn doch. Warum? Weil Du Vertrauen in die Institutionen und Unternehmen hast, die das Geld annehmen und es Dir geben. Weil Dein Alltag dadurch besser ist und Du Vorteile hast, nimmst viele Nachteile in Kauf. Wie der Euro funktioniert, interessiert kaum jemand - ausser ein paar Spezialisten.

Auch bei Regiogeld geht es darum, viele Nachteile in Kauf nehmen zu wollen.Wenn Du das mit Finanzsystem-Modellen beantwortest, schafft Du mehr Fragen als Antworten.  Praktische  Antworten für diese Bedenken zu haben, ist ein erster Schritt. Welchen Nutzen hat das inhabergeführte Geschäft? Möchte es sich an Reformen beteiligen?

Wenn Du Deinen Gemeinschaftsgarten bewirtschaftest, geht es Dir ja auch nicht darum, die Landwirtschaft zu reformieren. Du machst da mit, weil Du Deine persönlichen Handlungsspielräume nutzt, weil Du persönlich Betroffen bist.

Handeln schafft Lösungen, nicht der Reformdiskurs

Meiner Meinung nach kommen Regiogelder nicht voran, weil die Initiatoren oft einen politischen Anspruch haben, Institutionen und das bestehende System kritisieren - und laufen immer wieder vor Wände. Dein Ansatz ist typisch dafür, sorry.

Stadt dessen werden Menschen es gut voranbringen, die die Emotion berühren können und mit Kunst/Kultur arbeiten. Auch klassisches Marketing, Zielgruppenanalyse, Alleinstellungsmerkmale, Werbebotschaften usw werden gebraucht.

Experten für Marketing und Werbung gesucht

Sicher werden auch Experten im Hintergrund gebraucht, die verstehen, wie ein Regiogeld-System aufgebaut sein sollte und Finanzsysteme analysieren können. Schließlich gilt es, die Unterschiede und Funktionen zwischen Bitcoin, Eurodeckung, Leistungsdeckung herauszuarbeiten, um für die Stadt das jeweils beste System zu finden. Aber sie sollten nicht in der ersten Reihe stehen, allenfalls mal einen Vortrag vor Fachpublikum halten.

Der Transition Town-Ansatz ist Graswurzelbewegung. Wir möchten keine Reformen von irgendetwas, sondern wir setzen uns dafür ein, dass wir unseren Lebens- und Wirtschaftsalltag gestalten, um Resilienz aufzubauen. Um Regiogeld zu schaffen, benötigen wir keine Reform des Finanzsystems, sondern können schon heute anfangen.

Transformation durch das Erkennen von Handlungsspielräumen

Wenn Du das System ändern möchtest, bist Du bei Transition Town falsch. Dann wäre es besser, in die Politik zu gehen, sich bei der Gemeinwohl-Bank zu engagieren oder EZB-PräsidentIn zu werden.

Schau mal, was Harald Welzer zu Transformationsdesign sagt und was Menschen zum Handeln bewegt. Da liegt der Schlüssel. Empfohlene Literatur dazu: "Das Menschen Mögliche" - und natürlich der Zukunftsalmanach, die Arbeit der Stiftung Futurzwei und die Veröffentlichungen im Umfeld des Norbert Elias Center.

Die Zivilgesellschaft hat verlernt, Handlungspielräume zu finden. Um das zu verbessern, benötigen wir praktisch erlebbare Beispiele.

Kleine ökonomische Forschungslabore schaffen Erkenntnisse, bereiten Vergnügen und kurzfristige Erfolgserlebnisse, die für den langen Atem nötig sind - hier z.B. notiert:

http://gsinfo.de/102/oekonomisches-forschungslabor-auf-dem-kultur-d...

Bild des/r Benutzers/in Gert Schmidt

Von "Ökonomischen Forschungslaboren" sprach auch Margrit Kennedy. In einem Workshop in Hannover ermahnte sie uns, nach einem Problem zu suchen, das mit einer Komplementärwährung zu lösen ist. Darauf sollten wir uns konzentrieren, sagte sie.

Was in einer Stadt möglich ist, ist individuell. Wenn z.B. in Bristol mit Marketing-Tam Tam und Unterstützung einer Bank Geld in die Hand genommen wurde und obwohl das System (Pfund-Deckung) inzwischen mit hoher Akzeptanz läuft, heisst es noch lange nicht, dass es in Hannover auch so auf den Weg gebracht werden kann.

Bild des/r Benutzers/in kodi

Ich finde diese Zusammenfassung gut, danke dafür. Dient der Bewusstseinsbildung und mir als Nicht-Oekonomen sind die Zusammenhänge mit Zins und Zinseszins nicht immer präsent. Obwohl du es schon gesagt hast, kannst du vielleicht unabhängig davon die Vorzüge der Regionalwaehrungen heraus stellen- einfach eine neue Geschichte erzählen von einer anderen Welt.Gruß. kodi
Bild des/r Benutzers/in Christian_2

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Bild des/r Benutzers/in kodi

Bin kein Mathegenie. Hat Angebot A nach 21 Wochen nicht 210 000?

Gruß kodi

Bild des/r Benutzers/in Christian_2

Danke für dein Feedback. Und du hast recht da hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen.

Bild des/r Benutzers/in Roy Rempt

ich empfehle Dir die Arbeit vom Michael Kopatz:

zum Wirken von Regional-Geld (Wupperinstitut, Humane-Wirtschaft,..)

http://www.humane-wirtschaft.de/2015_06/HW_2015_06_S04-06.pdf + http://epub.wupperinst.org/files/6003/6003_Kopatz.pdf

.. zudem gaaanz viele Erfahrungen von / für Regio-Geld-Initiativen (auch "Tauschringe", "Tauschkreise", "Kreisel",..) auch mit BGE und mit AltersAbsicherung, Solidar-Kasse,... und gaaaanz vielen Honorations-Formen gibt es im "Tausch-Wiki", einem Wiki zu allen Ideen zum oganisierten Tausch in "Tauschringen", "Tauschkreisen", "Kreiseln",.. und Regio-Geld-Initiativen :)

  http://www.tauschwiki.de/wiki/Tauschwiki:Intro

..meine einst realisierte Idee der doppelten / gegenseitigen Honoration ohne 'Miese' ist da auch drin, und zwar von manchen bewundert aber bisher nicht kopiert  :)

http://www.tauschwiki.de/Hilfspunkte_+_Förderpunkte

..das Doppel-Punkt-System und unsere Regeln hatten und haben "Faszinations-Potenzial" :)

...

uns allen viel Energie und Kraft für den global-freundliche Kultur-Wandel !!!

http://www.tauschwiki.de/wiki/Tauschwiki:Intro